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Kleiner Ort – große Demokratiegeschichte

An dem kleinen fränkischen Ort Gaibach kann in ganz besonderer Weise der Demokratiegeschichte Frankens und Bayerns nachgespürt werden – Wir waren vor Ort bei unserer Sonntags-Exkursion!

Wer erfahren möchte, wie es sich hier wohl lebte vor gut 250 Jahren unter der Herrschaft des Schönborngeschlechts, sollte einen Blick auf das hochpolitische Altarbild in der Pfarrkirche werfen. Dieses trägt den Titel Das Haus Schönborn huldigt der Hl. Dreifaltigkeit – doch die Blicke der Schönborns richten sich nicht nach oben, sondern direkt in den Kirchenraum – das Volk sollte den Schönborns huldigen. Wie es auf Drängen Napoleons zur ersten Verfassung im Jahre 1808 kam und zu einer neuen Verfassung 1818, schilderte Margit Hofmann, die bestens bewandert ist in der regionalen Geschichte. Im Konstitutionssaal im Schloss der Schönborns (heute Schule mit Internat) rezitierte Dieter Luthardt Originaltexte der Verfassung, die als Geschenk des Königs an sein Volk zu verstehen war, wie Bildnisse eindrucksvoll zeigen.

Konstitutionssäule und VerfassungsfestWas also waren die Triebfedern, die die Monarchie veranlassten, Zugeständnisse an das Volk zu machen und die Verfassung nach außen als positives Gut zu vermitteln? Dies konnte vor Ort sehr gut an der mehrdeutigen Person des Grafen Ehrwein zu Schönborn anschaulich vermittelt werden: Als Freund von Kronprinz Ludwig ließ er auf der höchsten Stelle des zum Schloss zugehörigen Parkgeländes 1821 die Grundsteinlegung der Konstitutionssäule (als Demokratiedenkmal einzigartig in Bayern) in einem großen Festakt begehen. Ein Gemälde (das Original befindet sich im Museum für Franken in Würzburg) bezeugt den Festakt und ist ein gutes Beispiel dafür, wie Realität und Darstellung im Kunstwerk voneinander abweichen können. Als Monument wurde die Säule gewählt, um die Standhaftigkeit des Staates zu versinnbildlichen. 1828 wurde die Säule eingeweiht und – je nach Quelle – wohnten diesem Ereignis zwischen 5.000 und 30.000 Personen bei. Im Spannungsfeld zwischen den Ideen der Aufklärung bis hin zur Romantik einerseits, den eigenen Interessen des Adelsgeschlechts andererseits und den unterschiedlichen Strömungen in der Bevölkerung, kam es in den Folgejahren zu starken Spannungen. Während in den Jahren 1829 und 1830 Verfassungsfeste an der Konstitutionssäule stattfanden, wurde das Fest 1831 durch König Ludwig verboten, der immer autoritärer auftrat. 1832 setzte Ehrwein Schönborn das Fest gegen den Willen Ludwigs durch.

15 Jahre Gefängnis für die Forderung nach Mitsprache Direkt am Fuße der Konstitutionssäule hörten wir Auszüge aus der Rede Joseph Wilhelm Behrs im Sommer 1832, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Würzburg und Lehrer von König Ludwig und Ehrwein Schönborn, Bürgermeister von Würzburg und Abgeordneter: „Sind die Regierten nur dazu da, sich regieren zu lassen?“ / „Gibt es eine Sicherheit für gute Gesetzgebung?“ Am Folgetag wurde Behr verhaftet und des Hochverrats und der Majestätsbeleidigung zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. 1848 erfolgte die Rehabilitierung und er wurde in die Paulskirchenversammlung gewählt.

Bei einem Gläschen feinen Gaibacher Weines streiften unsere Gedanken in die Vergangenheit und wieder zurück in die Gegenwart: Was würden WIR heute in einer Demokratie-Rede wohl mitteilen wollen? Wer nicht dabei sein konnte und nun Lust bekommen hat: Im nächsten Jahr fahren wir sicherlich wieder nach Gaibach – zum kleinen Ort der großen Demokratiegeschichte!

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