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Vom Gleichen - und dessen Gegenteil

In der Auftaktveranstaltung der Philosophischen Sonntags-Matinéen (online) haben wir die schillernde Idee der Gleichheit philosophisch beleuchtet. Teil zwei der Philosophischen Reihe: Am Sonntag, 17.1.2021, zum Wert der Präsenz in Zeiten von Lockdown und Home-Office.

Unser Referent Dr. habil. Thomas Rolf ist freiberuflicher Dozent für Philosophie an Universitäten und in der Erwachsenenbildung. Er ist zudem Leiter des Philosophie-Forums Marburg. Mit der Akademie Frankenwarte bietet er seit einigen Jahren Bildungsurlaubs-Seminare an, die gesellschaftspolitische Themenstellungen philosophisch durchleuchten – und nun also die Online-Matinée „Die schillernde Idee der Gleichheit“ (ein Screenshot sehen Sie unten), die ohne Corona-Beschränkungen Inhalte für eine ganze Seminarwoche geboten hätte.


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Dass über Gleichheit und Ungleichheit philosophiert und politisch diskutiert werden kann, ist unbestritten. Denn in ökonomischer Hinsicht ist es mit Gleichheit nicht weit her: Zwar ist der durchschnittliche Wohlstand weltweit gestiegen, aber ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt die Hälfte des gesamten Vermögens. In soziokultureller Hinsicht sieht es zum Glück etwas besser aus: Die Rechte von Frauen, Zugewanderten, religiösen und ethnischen Minderheiten werden (aller gegenteiligen Fälle zum Trotz) immer stärker berücksichtigt und selbstverständlich.

Gleiches kann sich unterscheidenIn Demokratien ist die Idee der Gleichheit ein grundlegender Wert. Allerdings wird in gesellschaftlichen Debatten die Frage, was Gleichheit und Ungleichheit genau bedeuten, nur selten gestellt: Gleichheit gilt vielen pauschal als gut, Ungleichheit als schlecht. Auf diese Weise sind die Diskurse oft stark polarisiert, was das gegenseitige Verstehen sowie die Bereitschaft zu Kompromissen schwierig macht. Und dabei kann sich Gleiches doch unterscheiden: Es wird verschieden aufgefasst, es stellt sich verschieden dar, es ändert sich.
 
„Die Idee der Gleichheit bleibt also unbestimmt, wenn man nicht gute oder sinnvolle Formen von Gleichheit von schlechten Formen unterscheidet“, erläutert Thomas Rolf und ergänzt, warum nun hier die Philosophie gut ansetzen kann: „Sie greift nicht in den politischen Streit ein, sondert schaut sich den Gegensatz zwischen Gleichheit und Ungleichheit an. Gut, sinnvoll, schlecht, gleich – das sind philosophische Kategorien!“

Wo Dialektik endet, beginnt das IdentitäreUnd wie greift die Philosophie nun ein? Durch Dialektik. Sie hilft, weil sie Gegensätze vermittelt und zeigt, dass zwei Phänomene vergleichbar sind, weil sie Gegensätze in sich selbst tragen. So im Beispiel zwischen Globalismus und Nationalismus. Das Weltganze besteht aus Nationen und Nationen sind jeweils verschiedene Lokalitäten des Globalen. Oder deutlicher formuliert: Menschen leben auf der Erde und in verschiedenen Nationen.
 
Wo die Dialektik fehlt, herrschen Gegensatz und Spaltung. Wo Dialektik endet, beginnt das Identitäre. Für so Denkende soll die Welt entweder eine Menschheit werden (also ohne nationale Elemente). Oder die Welt soll alleine aus homogenen Nationen bestehen. Und mit diesem Schritt werden identitäres Denken und identitäre Bewegungen eine Herausforderung für die demokratische Kultur. „Denn dort”, sagt Thomas Rolf, „hat die wirkliche Gleichheit, die stets Momente ihres Gegenteils in sich trägt, keine Chance”.
 
Rolfs Botschaft, die zum Ende der ersten Matinée zum weiteren Nachdenken und Diskutieren einlädt: „Demokratische Politik sollte so agieren, dass extreme Ideen nicht aufkommen.” Was also ist zu tun, woaruf muss Politik achten, fragten sich die mitphilosophierenden Teilnehmenden: Gibt es einen „Punkt der Verletztheit” bei Menschen, der erkannt werden muss, auf den es zu reagieren gilt? Gilt es, das Gleiche bei jenen zu suchen, die uns doch so fremd, so anders erscheinen?
 
Wir freuen uns bereits auf das weitere Philosophieren, spätestens am 17. Januar 2021, wenn es um den Wert von Präsenz in Zeiten von Lockdown und home office geht.

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