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Politische Bildung im Ausnahmezustand

In Bayern gelten wegen des Coronavirus Ausgangsbeschränkungen. Wir mussten unseren Betrieb im März, April und Mai einstellen. In der Zwischenzeit haben wir Ihre Gedanken zur Zukunft politischer Bildung gesammelt, online weitergemacht - und öffnen ab Juni wieder dank Hygienekonzept!

Orte, die geschaffen wurden, um existenzielle Fragen gemeinsam zu durchdenken, gemeinsam Lösungswege zu entwickeln, können ihrem Auftrag in Zeiten von Corona nicht mehr gerecht werden –  wie die Akademie Frankenwarte, die aufgrund der Beschlüsse von Bundes- und Staatsregierung zur Eindämmung der Pandemie mindestens bis Ende Mai ihre Pforten schließen muss. Kann die Corona-Zwangspause Impulse geben für unser Zusammenleben „danach“?

Politische Bildung während und nach CoronaWelche Themen muss politische Bildung jetzt und in Zukunft anpacken? Was beschäftigt Sie aktuell? Was werden Sie verändern? Welche Ideen möchten Sie verwirklichen? Wird das Zusammenkommen in einem Tagungshaus noch zeitgemäß sein? Wie muss ein Bildungsangebot aussehen, damit Sie daran teilnehmen?

Diese Fragen stellen wir uns, wir diskutieren sie im Team und mit unseren Kooperationspartner*innen - aber viel zu selten mit Ihnen, unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Unsere Seminarpause wollen wir kreativ nutzen, um Ihre Meinung zu hören und uns mit Ihnen auszutauschen. Von der Reaktion auf unseren Aufruf sind wir geradezu überwältigt! Mehr als 50 Einsendungen mit den verschiedensten Anmerkungen und Ideen haben uns bereits erreicht. Wir haben uns bemüht, sie zusammenzufassen und zu sortieren:

Wie wir politische Bildung anbieten könnenTrotz aller Vorteile elektronischer Kommunikation: Ein Großteil der Freunde der Akademie Frankenwarte meint, dass persönliche Treffen in ihrer Wertigkeit nicht ersetzt werden können. Michael Bauch zum Beispiel schreibt uns: „Es wird weiterhin nötig sein, sich in andere Räume zu begeben, sich mit anderen Menschen auszutauschen um damit den eigenen Gedanken neue Impulse zu geben.“ Information, Erholung und Freizeitwert ergänzen sich auf dem Würzburger Nikolausberg eben ideal.

Womöglich müssen wir uns künftig in geschlossenen Räumen mit weniger Teilnehmer*innen begnügen, oder müssen Veranstaltungen unter freiem Himmel  organisieren. Dass wir über unsere Online-Auftritte mit Ihnen allen in Kontakt bleiben, steht dabei außer Frage – ebenso, dass wir versuchen werden, relevante Themen und Lernstoffe auch einmal online zu behandeln. Jörg Kunze, der uns schon in einigen Seminaren zu sicherheitspolitischen Themen verstärkt hat, gibt zu bedenken: „Wenn wir uns ganz ehrlich fragen, wer diese Seminare nutzen würde und ob wir damit nicht in Konkurrenz zu den ohnehin schon vorhandenen Online-Instituten, Universitäten o.Ä. träten, müssen wir uns eingestehen, dass die Teilnehmerzahl zurückgehen würde.“ Dennoch möchten wir uns gerne selbst einmal in einem Seminar dem Thema widmen: Können oder müssen sich Präsenz-Veranstaltungen in der politischen Bildung noch gegen digitale Formate behaupten? Wie können sie sich ergänzen?

Dankbar sind wir in diesem Zusammenhang dafür, dass Einige dabei den finanziellen Aspekt nicht aus dem Auge verlieren und anbieten, dass „diejenigen, die an einem solchen digitalen Austausch teilnehmen, einen kleinen finanziellen Beitrag zahlen, damit Sie weiter bestehen können“. Gerade das dürfte für diejenigen schwierig werden, die man in der politischen Erwachsenenbildung viel zu oft vernachlässigt - wie Zugewanderte oder Angehörige der sogenannten bildungsfernen Schichten. Für sie, für Schülerinnen und Schüler (und eigentlich alle anderen auch) wären Politik-Simulationen und Planspiele eine Möglichkeit, politische Inhalte zu transportieren.

Corona und unser ZusammenlebenThemen, denen wir uns künftig widmen können, haben Sie uns in Massen vorgeschlagen – dafür sagen wir herzlich Danke! Einige seien an dieser Stelle stichwortartig aufgeführt:

  • Was bedeutet die Einschränkung der Grundrechte im Zuge der Corona-Pandemie für uns alle?
  • Welche Zukunft hat ein Gesundheitssystem, in dem man fragen muss: Welches Leben ist lebenswert, und welches nicht?
  • Was zeigt sich in der derzeitigen Stille als entbehrlich und was wünschen wir uns wirklich in unserem Leben? Was kann weg?
  • Ein Markt der Ideen für eigenes und kommunales Handeln
  • Was bedeutet diese weltumfassende Krise für die Menschheit?
  • Ist unser Bildungs-/Schulsystem auf eine Krise wie diese vorbereitet?
  • Weltweite Krisen und Kriege, ihre Hintergründe und Ansätze für eine Lösung
  • Sicherheitspolitische Aspekte von Naturkatastrophen und Krankheiten
  • Religion, Macht und Gewalt
  • Kinderrechte weltweit
  • Verantwortung für sich und die Gesellschaft
  • Der Wert des Alter(n)s – im und mit dem technologischen Wandel

Auch von unseren politischen Mitbewerbern haben wir Rückmeldung erhalten. So erinnert Grünen-Landtagsabgeordnete Kerstin Celina an die Aufgabe politischer Bildung zu zeigen, dass Entscheidungen in der Politik „ein langer Prozess vorangeht, eben um einen möglichst guten Interessensausgleich zu erzielen; dass unterschiedliche politische Meinungen respektvoll diskutiert werden können, dass persönliches Wissen und wissenschaftliche Erkenntnisse die notwendige Grundlage für diese Diskussionen sind und dass eine Mehrheitsentscheidung weder Sieg noch Niederlage ist, sondern einfach eine Entscheidung, die die Basis für weiteres politisches Engagement bildet.“

Aus der AOK-Direktion Schweinfurt erreichten uns Anregungen, die sich mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf die körperliche und seelische Gesundheit der Menschen beschäftigen, aber auch mit der Rolle der Sozialversicherung und der betrieblichen Gesundheitsförderung, mit Struktur und Digitalisierung unseres Gesundheitssystems, oder auch mit den Auswirkungen der derzeitigen Krise auf die Umwelt.

Gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher WandelDass die Corona-Pandemie unser Privat- und Erwerbsleben, das gesamte gesellschaftliche und politische Handeln in Frage stellt, wird aus vielen Ihrer Anregungen deutlich. Was Sie sich an Themen für die politische Bildung wünschen, fassen diese Sätzen von Peter Langer zusammen: „Diese Krise hat für mich eine Botschaft: Unsere Verantwortlichkeit für den Menschen, seine Lebensbedingungen, die Verantwortung für die Schöpfung und deren gerechte Verteilung von Gütern auf dieser Welt kritisch zu bedenken und daraus ehrlich zu handeln. Wir wissen viel, wir müssen handeln. Und das gilt nicht nur für die hohe Politik, das fängt bei mir zu Hause an, muss sich fortsetzen am Arbeitsplatz, in der Freizeit in allen Lebensbereichen.“

  • Wird es nach dieser Krise noch eine Europäische Union geben, wie wird sie aussehen? Was ist Europa: Wirtschaftsraum oder Wertegemeinschaft?
  • Was hält die (europäische) Gesellschaft zusammen?
  • Abkehr von Wachstumsgedanken und Profitstreben
  • Bedingungsloses Grundeinkommen, Besoldungsgerechtigkeit und Gemeinwohl-Ökonomie
  • Solidarität mit den Berufsgruppen, die das gesellschaftliche Leben am Laufen halten
  • Grenzen des Wachstums: Wie kann eine umweltgerechtere Welt gestaltet werden – ökologisch, gesellschaftlich und politisch?
  • Wie können wir politische Entscheidungsprozesse mehr beeinflussen?
  • Klaus Schiele bringt die Einführung einer Dienstpflicht für junge Menschen ins Gespräch – egal ob bei Militär, Polizei oder sozialen Institutionen. „Junge Menschen, die in sozialen Institutionen ihren Dienst ableisten, werden geprägt durch Menschlichkeit und Solidarität.“
  • Freiheit vs. Sicherheit – wie viel Freiheit darf aufgegeben werden, um Sicherheit zu gewährleisten?
  • Wie sicher sind die Grundrechte aller Bürger im Staat, egal was sie wählen, wen sie anbeten oder was sie denken?
  • Hat der Föderalismus in Deutschland in der jetzigen Form noch eine Daseinsberechtigung?
  • Wie ist es um die (digitale) Infrastruktur hierzulande bestellt?

MedienkompetenzWeitere Vorschläge beschäftigen sich mit der Rolle der Medien:

  • Wie kann ich kompetent durch die Welt eines medialen Überangebots steuern?
  • Wie kann Seriosität im Journalismus und in der politischen Debatte erhalten werden?
  • Was verbindet unseren Medienkonsum mit dem Gefühl, dass viele Menschen ihre Meinungen nicht mehr zu ändern bereit sind?

Zu guter Letzt...ein Bild, das uns Sieghart Böhme geschickt hat. „Es erzählt - wie üblich hübsch verschlüsselt - ein ganze Geschichte. Viel Spaß bei der Interpretation!“

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Wir danken für Ihre vielfältigen Vorschläge – und freuen uns über weitere. Schreiben Sie uns Ihre Gedanken und Fragen per E-Mail an info@frankenwarte.de mit dem Betreff "Die Zeit nach Corona". Wenn Sie uns Ihre Erlaubnis geben, veröffentlichen wir Ihr Statement auf unserer Homepage und gegebenenfalls auf unseren Social-Media-Kanälen. Wir versprechen, wir antworten Ihnen garantiert! Und wir freuen uns auf ein Wiedersehen bei einer unserer nächsten Veranstaltungen - wann auch immer diese wieder stattfinden können.

Für das Team der Akademie Frankenwarte,
Stephanie Böhm und Sebastian Haas

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