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Würzburger Impulse

Der Anfang unserer neuen Veranstaltungs-Reihe ist gemacht. Unter anderem mit Sigmar Gabriel machten wir uns an die Beantwortung der Großen Frage: Wie gelingt die epochale Transformation? Fortsetzung am 27. Juni!

Wie wollen und können wir das Leben im 21. Jahrhundert menschengerecht und nachhaltig gestalten? Wo und wie finden wir die Orientierung für unser individuelles und gemeinschaftliches Handeln? Es braucht die Zusammenführung vielfältiger Perspektiven und Ideen, aus der zielführende und gesundende Impulse für unser Handeln auf allen Ebenen entspringen können. Die neue Veranstaltungsreihe von Akademie Frankenwarte in Kooperation mit dem Volkswirtschaftlichen Institut der Universität Würzburg, die "Würzburger Impulse: Wie gelingt die epochale Transformation?", sollen hierfür den passenden Rahmen schaffen: Expert*innen aus Wissenschaft und Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft stellen ihre Gedanken, Ideen und Innovationen vor, tauschen sich aus und diskutieren mit den Teilnehmenden. So können eigene Gedanken konstruktiv weiterentwickelt werden. In der Summe erhoffen wir viele Bausteine für ein Gestaltungsprogramm, jenseits von Aktivismus oder Fatalismus.

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Bild:Der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt ist Schirmherr der Veranstaltungsreihe und begrüßte die mehr als 150 anwesenden Gäste
Der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt ist Schirmherr der Veranstaltungsreihe und begrüßte die mehr als 150 anwesenden Gäste

Die Auftaktveranstaltung am 12. Mai 2022 war aus gutem Grund den beiden Themenfeldern wirtschafts- und geopolitische Transformation gewidmet. In seinem Grußwort wies Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Schirmherr der Veranstaltungsreihe, auf die Wichtigkeit eines solchen Forums hin, um einen fachlichen Rundum-Blick zu ermöglichen. „Frei nach dem Motto ‚Wer nicht denkt, für den wird gedacht‘, freue ich mich, dass bei den Würzburger Impulsen große Fragen diskutiert werden, die auch das Leben in der Stadt Würzburg bestimmen.“

Die USA ziehen sich zurück, wer kommt nach?Die mehr als 150 Gäste unserer Veranstaltung waren vor allem gekommen, um den Impulsvortrag eines Mannes zu hören, der nach den Worten von Mitveranstalter Prof. Dr. Peter Bofinger nicht weiter vorgestellt werden muss: Sigmar Gabriel, der in den vergangenen 20 Jahren die deutsche Politik mitgeprägt hat wie kaum ein Zweiter – als Ministerpräsident in Niedersachsen, als Bundesumwelt-, Bundesaußen- und Bundeswirtschaftsminister sowie Vizekanzler. Er konstatierte, dass wir uns tatsächlich in einer epochalen Zeitenwende befinden, in einer „neuen Phase der Geopolitik, in der nicht mehr die USA alleine das Weltgeschehen bestimmen“ – und in der auch genau das gewollt war, Sicherheitsgarantien inklusive. Wenn nun aber die Vereinigten Staaten bemerken: Führende Weltwirtschaftsmacht und weltweiter Sicherheitsgarant zu sein, das kann überfordern – dann entsteht nun mal kein Vakuum, „dann kommt Russland, dann kommt die Türkei, dann kommt China, nur die EU, die kommt nicht“.

Sigmar Gabriel erwartet daher ein Jahrzehnt des machtpolitischen Ringens und der Instabilität; eine Welt ohne globale Ordnung und ohne globale Ordnungsmacht, in der nicht abzusehen ist, wie sich die Wirtschafts- und Sicherheitsarchitekturen entwickeln. Im westlichen, von NATO und EU geprägten Weltbild sollte man dabei niemals die sogenannte Shanghai-Gruppe aus den Augen verlieren, in der sich teils feindlich gesinnte Länder wie Indien, Pakistan, China, Russland und andere zusammengetan haben, um ihre Interessen gegen die „Dekadenz des Westens“ (O-Ton Gabriel) zu vertreten. „Von einer Hochachtung gegenüber Europa und den USA ist nicht mehr viel geblieben, und da kann unsere einzige Antwort sein: Gerade deswegen müssen wir Europa stärken.“

Konfrontation, Kooperation und WettbewerbFür Deutschland, das in die internationalen Produktionsketten so gut integriert ist, wie kein anderes Land, sei es wichtiger denn je, im europäischen Verbund die Balance zu finden zwischen Konfrontation, Kooperation und Wettbewerb. Konfrontation wird es geben in sicherheitspolitischen Fragen – der Krieg in der Ukraine, drohende Konflikte um Taiwan oder Hongkong und das Pulverfass Naher Osten zeigen es regelmäßig. Kooperation muss weltweit möglich sein, um den Klimawandel oder auch nächste Pandemien zu bekämpfen; und nur im harten wirtschaftlichen Wettbewerb wird man sich gegen die Konkurrenz aus Fernost und auch den USA behaupten können.

In der Diskussion stimmte Prof. Dr. Björn Alpermann, Lehrstuhlinhaber für Contemporary Chinese Studies an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, dieser Sichtweise zu – und ergänzte, dass die Welt aber noch viel komplexer sei. Der Klimawandel zum Beispiel sei nur gemeinsam mit China zu gestalten, deren Führung aber meine, dies nur mit autoritären Mitteln bewerkstelligen zu können, und zeitgleich ein großer Konkurrent in der „Grünen Industrie“ mit Europa darstellt. „Egal, um welche Konflikte es auf dieser Welt geht, wir müssen in der Diskussion China immer mit ins Boot holen – und gleichzeitig offensiv agieren, um nicht der chinesischen politischen Elite die Agenda bestimmen zu lassen“, meint auch Sigmar Gabriel.

"Geopolitik schlägt ökonomie"Drei, aber keine vier großen D’s sieht Gabriel als Herausforderungen: Digitalisierung, Demografie, Dekarbonisierung – aber eben nicht die Deglobalisierung. Er spricht mit Blick auf die Zukunft von hybrider Globalisierung, dem auch Prof. Bofinger zustimmt. Peter Bofinger stellte genau jene Frage, die viele Teilnehmenden auch bewegt: Wie konnte es zu dieser Abhängigkeit im Energiebereich kommen, trotz vieler Warnungen? Für Gabriel markieren die Entwicklungen der letzten Jahre und nun der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine genau diese Zeitenwende, die eine Transformation erfordere: Die westeuropäische Lehre aus dem 2. Weltkrieg, dass Frieden und Wohlstand gesichert werden können durch eine immer stärkere wirtschaftliche Verflechtung, ist nicht weltweit anwendbar. „Geopolitik schlägt Ökonomie, und darauf sind wir nicht vorbereitet“.

Caroline Trips, Würzburger IHK-Vizepräsidentin und Geschäftsführerin eines mittelständischen, weltweit agierenden Unternehmens, sieht das ähnlich – und sieht noch viele andere Baustellen: Die Industrie beschäftigt hauptsächlich der Fachkräftemangel („ohne Ingenieure aus aller Welt geht es nicht mehr“). Aber auch an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer appelliert Trips, wenn sie sagt: „Zunächst müssen wir etwas leisten, bevor wir etwas fordern können. Zur work-life-balance gehört zunächst die Arbeit.“ Dass diese durch immense bürokratische Vorgaben zunehmend gehemmt werde, stört die Unternehmerin sehr, und sie sieht dadurch auch das große Potenzial der Region Unterfranken gefährdet. „Dabei sind wir in Würzburg und Schweinfurt und überall sonst doch so gut aufgestellt und innovativ. Aber wenn wir weltweit um die besten Köpfe werben wollen, muss es leichter sein, diese in die Region zu holen.“

Neben den wichtigen Betrachtungen nach Außen betrifft eine ganz zentrale Frage auch das Innen: Wie sollte Deutschland, wie können wir Menschen umgehen mit unvorhersehbaren Entwicklungen, anhaltender Instabilität und Unsicherheiten? „Ein stärkeres Zusammenwachsen in Europa, die vorhandenen Stärken stärken, eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik und Felder der Sicherheit im Innern, zum Beispiel in unseren Städten und Quartieren schaffen“, lauten die Ansätze von Sigmar Gabriel.

Was Sie über Transformation denkenIn der Diskussion mit Teilnehmenden konnten weitere Problemfelder ausgemacht werden: Ein Betriebsratsvorsitzender sorgt sich um die Wettbewerbsfähigkeit aufgrund hoher Umweltstandards und problematischer Subventionspolitik im In- und Ausland. Ein Student fragte Peter Bofinger, ob nun der Kipppunkt unseres Wirtschaftsmodells bald erreicht sei. Sehr bewegend auch der Beitrag eines Studenten mit russlanddeutschen Wurzeln, der ratlos ist, wie gegen Propaganda vorgegangen werden kann, um gegen den Hass, nicht nur zwischen Menschen aus Russland und der Ukraine, angehen zu können. Das Plädoyer von Stephanie Böhm zum Ende der Auftaktveranstaltung: „Da wir nicht nur Beobachter*innen, sondern auch Beteiligte der Transformationsprozesse sind, gilt es in der Demokratie auch zu schauen, wo wir Akteur*innen sind bzw. sein sollten und welche Menschengruppen womöglich außen vor bleiben, aber einbezogen werden müssen.“

Noch offen bleibt die Frage, was eigentlich unter „epochaler Transformation“ zu verstehen ist – einem Begriffspaar, welches einer genauen Analyse und Erklärung noch bedarf. Das zeigen auch die Rückmeldungen unserer Besucher*innen, die wir im Anschluss an die Veranstaltung zu ihren Eindrücken zum Begriff der Transformation gefragt haben: Die Antworten reichen von "Europa verliert den Anschluss" bis zu "Europa (hoffentlich) wieder an der Spitze" über "langfristige gesellschaftliche Resilienz" bis zu "die Schwachen bleiben auf der Strecke". Bestens fasst das Spektrum der Antworten die folgende zusammen, die uns als Ansporn für die nächsten Termine der Würzburger Impulse gilt: "Transformation ist nichts Einmaliges, sondern wir befinden uns stetig in einem - mehr oder weniger spürbaren - Prozess der Transformation. Wichtig erscheint mir, spürbare Prozesse aufzugreifen und darüber zu informieren, um der Bevölkerung unnötige Ängste und Sorgen zu nehmen, aber auch auf kommende Veränderungen einzustimmen."

So freuen wir uns auf die Fortführung der Reihe „Würzburger Impulse“ am 27.06.2022 mit Prof. Heiko Paeth (Leiter der Professur für Geographie, Schwerpunkt Klimatologie, am Lehrstuhl für Geographie - Physische Geographie Würzburg) und Manuela Rottmann, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft zum Thema: Klimawandel und Klimapolitik. Hier können Sie sich für die Veranstaltung anmelden.

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