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Extrem rechts? Bitte nicht!

Unterschiede und Gemeinsamkeiten von extrem rechten Bewegungen in Ost- und Westdeutschland von 1945 bis heute – das war das Thema unseres Seminars gemeinsam mit der Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair.

Die Mitbegründerin des Nürnberger Instituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung e.V. (ISFBB) hat mehrere Bücher und Ausstellungen zu Strategien gegen Neonazismus und Rassismus veröffentlicht. An drei Tagen mit intensiven Diskussionen ging es auch um völkischen Nationalismus, rechte Ökologiebewegungen sowie Strategien gegen das Erstarken extrem rechter Bewegungen.

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Für den Rechtspopulismus insgesamt können folgende Charakteristika gelten:

  • Schuldzuweisungen gegenüber Minderheiten und Eliten im In- wie Ausland („Diktat aus Brüssel“)
  • Hetze, Polarisierung und Vereinfachungen – die aus Ausländern Flüchtlinge machen, aus Muslimen Islamisten und Terroristen, aus politisch Andersdenkenden Faschisten
  • Angriffe auf die Freiheit der Medien und der Justiz, gegen Vermeintliche „fake news“ und für einen angeblichen „Volkswillen“
  • Eine Emotionalisierung der politischen Debatte, um die Frage nach Daten, Fakten und Sachlichkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen

Geschichte der Migration: eine Geschichte der AbwertungNoch einen Schritt weiter gehen extrem rechte Gruppen, Think Tanks und Interessenvertretungen – immer mit dem Ziel, die eigenen Ansichten zu normalisieren und in den öffentlichen Diskurs einzuspeisen. Sie instrumentalisieren im Zuge einer regelrechten Täter-Opfer-Umkehr auch dunkelhäutige Opfer von Gewalt, weil eben die Täter Geflüchtete waren – man denke nur an die rechten Aufmärsche nach dem Mord von Chemnitz oder das Gedenken an das Kind, das in Frankfurt von einem geistig verwirrten Menschen vor einen Zug gestoßen worden war.

So ist die Geschichte der Migration in die Bundesrepublik auch immer eine Geschichte der Abwertung der Zuwanderer: Zunächst waren Kriegsvertriebene aus dem Osten die Zielscheibe von Spott, Ausgrenzung und Gewalt; dann waren es die Gastarbeiter aus Italien und der Türkei; in den 1990er-Jahren traf es Spätaussiedler aus der Sowjetunion, seit 2015 nun vor allem Geflüchtete und Muslime im Allgemeinen. Besonders die Gewalt von rechts stand im Fokus der Analysen von Birgit Mair – nicht ohne Grund, weisen doch die Statistiken seit 1990 knapp 200 Tote infolge politisch motivierter Gewalttaten von rechts auf, dazu kommen am Tag durchschnittlich vier polizeilich erfasste Körperverletzungen.

Eine Teilung in Ost und West?Dazu kommen inzwischen regelmäßige Aufmärsche rechter Gruppierungen, dem sich aber gut organisierter und zahlenmäßig überlegener Gegenprotest entgegenstellt. Das gilt für die meisten größeren Städte im Westen Deutschlands, im Osten der Republik aber bleibt der Gegenprotest überschaubar. Birgit Mair mahnt aber in diesem Zusammenhang, vorsichtig zu sein „mit pauschalen Urteilen gegenüber den Menschen aus dem Osten Deutschlands“. Schließlich hätten Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR kaum Erfahrung mit einem demokratischen System, Migrantinnen und Migranten gehabt. Die Führung habe den Staat weitestgehend vom weltweiten Migrationsgeschehen abgeschottet, die NS-Vergangenheit kaum aufgearbeitet, neonazistische Aktivitäten ignoriert und eine deutschtümelnde, kulturelle Monotonie etabliert.

In Gruppenarbeiten durchleuchteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars die Standpunkte der AfD zu sozialpolitischen Fragen wie Grundrente, private Krankenversicherung und Wohnungspolitik. Anhand von Bundestags-Protokollen, von Ausschnitten aus dem Grundsatzprogramm der AfD und Aussagen aus Wahlprogrammen und –flyern erarbeiteten sie, dass sich die AfD nicht als „soziale Partei“ bezeichnen lässt. Denn sie steht – je nach dem, welchem Flügel man folgt – entweder für einen marktradikalen oder nationalen Sozialismus ein.
Wie sich Islamisten und Rechtsextreme begegnenDass es vor allem in Bezug auf die Ideologie der Ungleichheit sowie des rückwärtsgewandten Frauenbildes Parallelen zwischen extrem rechten Weltbildern und denen des Islamismus gibt – das wurde deutlich im kontrovers diskutierten Themenblock über islamistische Bewegungen in Deutschland, deren Entstehungsgeschichte und Erscheinungsformen. Einige Stichpunkte:

  • Radikale Salafisten in Deutschland sind gemäß der Statistik zu 92 Prozent männlich, zu einem erheblichen Teil jünger als 30 Jahre, jede/r zehnte ist zum Islam konvertiert.
  • Islamismus ist universalistisch – jede und jeder kann mitmachen.
  • Islamisten sehen in den Geboten des Islam Handlungsanweisungen für eine Staats- und Gesellschaftsordnung, in der alle Gewalt von Gott ausgeht; das ist unvereinbar mit dem Grundgesetz.
  • Dieser Gesellschaftsordnung sollen letztlich alle Bürger eines Staates unterworfen werden.

Gerade letztere Punkte sorgen dafür, dass wiederum extrem rechte Gruppierungen alle Menschen muslimischen Glaubens mit Islamisten gleichzusetzen versuchen. „Darauf nicht hineinzufallen, ist besonders schwierig“, war sich die Seminargruppe einig. Denn gegen die Ächtung von Homosexualität, für Gleichstellung und die Trennung von Religion und Staat können genauso gut linke Gruppen demonstrieren.
Die gestärkte DemokratieZum Abschluss erarbeitete das Seminar Strategien für eine Stärkung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die Seminarteilnehmenden nannten beispielsweise: Bildung und Medienkompetenz, Toleranz und zivilgesellschaftlich-politisches Engagement, ein wehrhafter Rechtsstaat, Bereitschaft zu Kommunikation und Kompromiss.

Weiterlesen: Die Studie „Verlorene Mitte. Feindselige Zustände“ der Friedrich-Ebert-Stiftung
Anschauen: Die Ausstellung „Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen“ des BayernForum der Friedrich-Ebert-Stiftung

Sebastian Haas

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