Aktuelles aus der Frankenwarte
Urlaub – aber bitte mit Weitblick
Reisen sind beliebt, sie sind ein nicht mehr wegzudenkender Teil unseres privaten Lebens, wie auch der Weltwirtschaft. Die einen lockt der Tourismus mit Erholung oder auch Abenteuer, vielen Regionen bringt er Bekanntheit, Arbeitsplätze und Einnahmen. Andere verbinden Tourismus mit Frust, Umweltverschmutzung und Existenzängsten. Gerade die Rhön bietet mit ihrer bunten Vielfalt ein bewundernswertes Naturschauspiel. Um dies zu bewahren und gleichzeitig die Sehnsucht der Reisenden zu stillen, stellen sich Fragen: Welche Auswirkungen hat der Tourismus auf die Natur und die Menschen? Wie kann zukunftsweisender Tourismus aussehen? Wie viel Tourismus verträgt eine Region?
Bei unserem Seminar zum nachhaltigen Tourismus in der Rhön in Kooperation mit der Umweltbildungsstätte Oberelsbach / Rhöniversum suchten 18 Teilnehmende nach Antworten – im Seminarraum wie bei gemeinsamen Erkundungen und Gesprächen mit den Menschen in der Region, die sie mit ihren Geschäftsmodellen, Visionen und ihrer Persönlichkeit prägen.
Wie Ökologie, Ökonomie & Soziales das Handeln bestimmenZu Beginn erläuterte Julia Schiemann von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt den Teilnehmenden Grundsätzliches zum Thema (nachhaltiger) Tourismus. Sehr viele Faktoren beeinflussen dabei die Reiseentscheidung – von persönlichen Empfehlungen und Erfahrungen bis zur leichten Buchbarkeit von Angeboten. „Nachhaltigkeit aber ist in den seltensten Fällen ein entscheidender Faktor“, wie Julia Schiemann beschrieb. „Die wenigsten Menschen wollen sich gerade im Urlaub damit beschäftigen, was sie an ihrem Leben, an ihrem Reiseverhalten ändern können, um Klima, Natur und Einheimische zu schützen.“ Müssen Ökologie und Naturschutz künftig also in jeglichen touristischen Planungen übergeordnet werden, weil ohne intakte Natur der Tourismus in vielen Regionen – wie der Rhön – nicht mehr funktionieren wird?
Nadine Flügel lieferte einige Antworten. Sie ist bei der Rhön GmbH, der Gesellschaft für Tourismus und Markenmanagement der Region, für das Thema nachhaltigen Tourismus zuständig - hat also die Aspekte der Wirtschaftlichkeit, Soziales und Naturschutz im Blick. Auf wirtschaftlicher Seite wird beispielsweise unter der Dachmarke Rhön ein Qualitätssiegel für regionale Produkte und regionale Wertschöpfung angeboten. Die Ökologie wird bestimmt durch Themen wie Besucherlenkung und Mobilität von Einheimischen wie Gästen – eine große Herausforderung in einer Region innerhalb dreier Bundesländer und fünf Landkreise. Der soziale Bereich der Nachhaltigkeit sei mit Blick auf den Tourismus meist unterrepräsentiert, meint Nadine Flügel. Worauf sich aber auch die Dachmarke Rhön konzentriert, ist das barrierefreie Reisen ebenso wie der Versuch, im Tourismus angestellte Personen langfristig zu binden. Um sich Anstrengungen wie diese auch offiziell anerkennen zu lassen, durchläuft die Rhön GmbH derzeit ein Verfahren zur Zertifizierung der Region als Nachhaltiges Reiseziel.
Bildungsurlaub unterwegsVor allem aber waren unsere Teilnehmenden unterwegs: Bei einer Führung durch die Gedenkstätte Point Alpha zeigte sich deutsch-deutsche Zeitgeschichte an einem Ort, der wie kaum ein zweiter als Brennpunkt für den Ost-West-Konflikt hierzulande gilt. Beim Besuch des Bauern- und Ferienhofs Weihersmühle in Fladungen wurde deutlich, wie breit sich ein Familienbetrieb inzwischen aufstellen muss, um wirtschaftlich zukunftsfähig zu bleiben – in diesem Fall mit Biogasanlage, Rinderhaltung, Ferienwohnungen, Spielplatz, Campingplatz, Hofladen, Bäckerei u.v.m.
Unverzichtbar war auch das Gespräch mit Personen, die im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön bzw. für dessen Wohlergehen arbeiten. Wissenschaftler*innen sowie interessierte Bürgerinnen & Bürger arbeiten im Bereich der Citizen Science zusammen. Tina Bauer koordiniert im bayerischen Teil des Biosphärenreservats Rhön diese Forschungsarbeit und berichtete von Projekten von der Quellenkartierung, über Hirschkäfer- oder Silberdistelsuche bis hin zum Aufspüren wärmeliebender Insekten oder Haselmäusen. So können bürgerwissenschaftliche Erfassungsprojekte gerade bei Untersuchungen zur Verbreitung gefährdeter Tier- und Pflanzenarten einen wertvollen Beitrag leisten. Die Wanderung durchs Naturschutzgebiet Lange Rhön mit Gebietsbetreuer Thorsten Kirchner bot Gelegenheit, Flora und Fauna zu erkunden, Ausblicke in die weite Landschaft zu genießen – und hochpolitische Diskussionen über Infrastrukturmaßnahmen, Energiepolitik und die Folgen der Corona-Pandemie für den Tourismus zu führen. Bei einer Führung durch das Schwarze Moor mit den Rangern Lukas Nietsch und Daniel Scheffler erhielten die Teilnehmenden umfassende Informationen nicht nur zum Natur- und Artenschutz und Funktionsweise eines Moores, sondern auch zur digitalen Besucherlenkung. So hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie das Freizeitverhalten der Menschen auch im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön beeinflusst, was sich in einem erhöhten Besucheraufkommen, auch in den sensiblen Schutzgebieten, bemerkbar machte. Lukas Nietsch ist zum Beispiel als Digital Ranger für die Überprüfung und Bestückung von Webseiten, Social-Media-Kanälen und Outdoor-Apps verantwortlich, um dort Empfehlungen für Aktivitäten in sensiblen oder überlasteten Gebieten zu bearbeiten und ggf. bei Kontrollgängen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein (nachzulesen auch hier).
SAVE THE DATE / Unsere nächsten Termine in Kooperation mit dem Rhöniversum:
- 8.-12. Juli 2024: Nachhaltiger Tourismus in der Rhön
- 24.-26. Juli 2024: Natur und Philosophie
- 26.-30. August 2024: Nachhaltige Ernährung und Produktion in der Rhön
von Sebastian Haas